Prof. Dr. A. A. Bispo, Dr. H. Hülskath (editores) e curadoria
científica
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No. 86 (2003: 6)
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© Foto: H. Hülskath, 2002 Archiv A.B.E.-I.S.M.P.S. |
DOKUMENTARFILME ALS HISTORISCHE QUELLEN FÜR WISSENSCHAFT UND REKONSTRUKTION INDIGENER GESCHICHTE UND IDENTITÄT
Aus dem Kolloquium "Europa und die Klangwelt der Indianer" der Akademie Brasil-Europa (2002)
Elena Schwenzel
1. Indianerkulturen im europäischen Dokumentarfilm Filmes documentários como fontes históricas para a pesquisa e
a reconstrução da história e da identidade indígenas Elena Schwenzel A conferencista apresentou uma versão modificada de trabalhos
desenvolvidos por ocasião do Colóquio Internacional "Europa e
o Universo Sonoro dos Índios", realizado em Colonia, República
Federal da Alemanha, pela Academia Brasil-Europa, em julho de
2002. Aproveitando a participação de índios de cultura Krahô e Xerente
no Congresso, o objetivo principal da conferência foi apresentar
trechos de filmes etnográficos raros para uma discussão intercultural. A autora tratou das modificações ocorridas nas concepções e nas
técnicas do filme etnográfico.
Bei Kulturen, die keine schriftliche Tradition kennen, ist die
Quellenerhebung oftmals sehr schwierig. Meist kann durch Feldforschung
lediglich der Status quo analysiert werden. Eine Untersuchung
der Entwicklung oder der Vergangenheit eines Stammes und Vergleiche
mit früheren Zuständen sind kaum möglich.
Hinweise über bestimmte Phasen einer Indianerkultur, Kulturwandel
oder bereits ausgelöschte Bevölkerungsgruppen brasilianischer
Indianerkulturen finden sich in historischen Quellen unterschiedlicher
Art und unterschiedlicher Sprachen. So können Berichte von Seefahrern,
Briefe von Missionaren, Darstellungen von Abenteurern, Chroniken,
aber auch Tagebücher oder Berichterstattungen von naturhistorischen,
geographischen und militärischen Expeditionen in Betracht gezogen
werden.
Eine bisher weniger genutzte Quelle ist die Fotografie und der
Film.
Im Rahmen dieses Vortrages können gleichwohl nur die Möglichkeiten
einer ausführlichen Behandlung umrissen werden. Aus diesem Grund
soll die Thematik zunächst auf den europäischen Dokumentarfilm
begrenzt werden. Es wird darüber hinaus versucht, die verschiedenen
Etappen des europäischen Dokumentarfilms über die Indianerkulturen
Brasiliens darzustellen. Dadurch soll deutlich werden, welche
Möglichkeiten der Dokumentarfilm als Quelle für musikethnologische
Forschung hat, welche Aspekte bei der Analyse der Filme beachtet
werden müssen und wie sinnvoll eine weitere Beschäftigung und
damit die weitere Suche nach Filmmaterial ist.
Die frühesten filmischen Dokumente europäischer Filmemacher über
brasilianische Indianer stammen aus der Jahrhundertwende. Der
Lehrer und Philologe Theodor Koch-Gründberg (1872-1924) unternahm
mehrfach Expeditionen in das Rio-Negro-Gebiet. Dort filmte er
ab 1911 die Taulipang. Eine Auswahl seines Filmmaterials ist erhalten
und kann beim Institut für den Wissenschaftlichen Film (IWF) in
Göttingen angefordert werden.
Ein andere deutscher Forscher, der die Möglichkeiten des Films
nutze, war Emil Heinrich Snethlage (1897-1939). Snethlage war
von Hause aus Botaniker, widmete sich aber später der Ethnologie.
Er arbeitete für das Völkerkundemuseum in Berlin und unternahm
1923 und 1933 in dessen Auftrag zwei Forschungsreisen nach Brasilien.
Auf die zweite Forschungsreise, die er ins Guaporé-Gebiert unternahm,
folgte 1935 eine Ausstellung im Berliner Völkerkundemuseum. Im
Rahmen dieser Ausstellung wurde das auf der Expedition gefilmte
Material unter dem Titel Indianerkulturen im Grenzgebiet Bolivien/Brasilien
vorgeführt. Das Material zeigt verschiedene Indianerstämme dieses
Grenzgebietes. Sie wurden sowohl bei alltäglichen Tätigkeiten,
als auch bei Tänzen, Ritualen und Zeremonien gefilmt. Snethlage
machte auch einige Tonaufnahmen. Die Rollen befinden sich gleichfalls
im Besitz des Völkerkundemuseums. Es ist größtenteils möglich,
das Tonmaterial mit dem Filmmaterial zu synchronisieren. Dies
ist bereits mit einigen Szenen geschehen. Leider ist das Verfahren
sehr aufwendig und kostspielig. Für die musikethnologische Analyse
des Films wäre eine solche Synchronisation sicherlich von großem
Nutzen.
Nach diesen beiden Beispielen für den wissenschaftlichen Dokumentarfilm
soll nun auf den damaligen kommerziellen Dokumentarfilm eingegangen
werden: den Kulturfilm. Die Ufa gründete bereits 1919 eine Kulturfilmabteilung.
Diese hatte eine starke (volks-)pädagogische Ausrichtung.
Anton Brückner reiste 1924/25 als erster nach Brasilien, um dort
für die Ufa Kulturfilme zu drehen. Das Resultat hieß "Urwelt im
Urwald" und war so erfolgreich, daß Brückner Ende der 20er Jahre
für ein weiteres Projekt erneut nach Brasilien reiste. Dort verstarb
Anton Brückner. Seine Frau Pola Brückner führte gemeinsam mit
Curt Unkel Nimuendajú das Projekt zu Ende. Der Film lief 1931
in Deutschland an.
Während Anton Brückner mit einem wissenschaftlichen Anspruch an
seine Filmarbeiten ging, was auch die Wahl Curt Unkel Nimuendajús
als wissenschaftlichen Berater belegt, so drehten seit Mitte der
30er Jahre vor allem junge Abenteurer Filme im brasilianischen
Urwald. Abenteurer wie Otto Schulz-Kampfhenkel oder die Brüder
Franz und Edgar Eichhorn sahen sich viel mehr als "Forscher, Jäger,
Pilot und Sportler" denn als Ethnologen oder ethnologisch interessierte
Amateurforscher. Eine solche Einstellung muss bei der Analyse
der Filme bedacht werden.
Abgesehen davon, daß während der Aufnahmen viel Material durch
Umwelteinflüsse (Hitze, Luftfeuchtigkeit etc.) Schaden erlitten
hat und daher auch damals nur Teile des gefilmten Materials dem
Publikum gezeigt werden konnten, ist heute ein Großteil der Filme
verschollen. Deshalb ist es häufig nur möglich, Inhalt und Themen
an Hand von Rezensionen (beispielsweise aus dem Film-Kurier) zu
rekonstruieren.
Mitte der 30er Jahre gründete die nationalsozialistische Regierung
ein zentrales Institut für Lehrfilme, das als Reichsstelle für
den Unterrichtsfilm bezeichnet wurde. Die Kulturfilmabteilung
der Ufa wurde dieser Reichsstelle angeschlossen. Später wurde
dieses Institut zur Reichsanstalt für Film und Bild in Wissenschaft
und Unterricht (RWU). Nach dem Krieg stuften die aliierten Streitkräfte
das Institut als neutral und objektiv ein und es konnte somit
seine Arbeit fortführen. 1956 wurde es zu einem eigenständigen
Institut: dem Institut für den Wissenschaftlichen Film (IWF).
Im Rahmen dieses Instituts wurde 1952 von Gotthard Wolf in Zusammenarbeit
mit Konrad Lorenz eine eigenständige Reihe mit dem Namen Encyclopaedia
Cinematographia (EC) gegründet. Die Filme dieser Reihe waren keine
pädagogischen Lehrfilme, sondern die Filme sollten der wissenschaftlichen
Arbeit dienen: "Die Aufgabe der wissenschaftlichen Filmenzyklopädie
besteht in der Erfassung und Fixierung der wissenschaftlich bedeutungsvollen
Bewegungsvorgänge und Verhaltensweisen bei Tieren, Pflanzen, Stoffen
und schließlich auch beim Menschen."
Diese "Bewegungsvorgängen" werden als einzelne Filmeinheiten,
die aus einem einzigen Thema oder einem Phänomen bestehen, gefilmt.
Laut Peter Fuchs können anthropologische Filmeinheiten auf zwei
Ebenen miteinander verglichen werden: gleiche Tätigkeiten verschiedener
Ethnien oder unterschiedliche Tätigkeiten der gleichen Ethnie.
Um zu gewährleisten, daß die Filmeineinheiten vergleichbar sind,
wurden 1956 die "Leitsätzen zur völkerkundlichen und volkskundlichen
Filmdokumentation" aufgestellt. Diese beinhalteten folgende Grundsätze:
"unity of place, time, group and event, together with strict obedience
ot the chronology of the event in the final version of the film.
Artificial manipulation in either shooting or cutting is not permitted.
A scientific film also rules out the use fo staged scenes." Ein
weiterer Grundsatz, der insbesondere für die musikethnologische
Betrachtung von Bedeutung ist, ist der Verzicht auf eine akustische
Dokumentation, daher sind alle ethnologischen Filme der EC Stummfilme.
Filme über die Indianer Brasiliens in der EC wurden von Harald
Schultz und René Fürst aufgenommen. Harald Schultz arbeitete für
das Museu Paulista in São Paulo und befaßte sich insbesondere
mit den Krahó Indianern. Der beispielhaft vorgestellte Film über
die Feuerbrand-Zeremonie der Krahó stammt aus dem Jahr 1965.
Filmausschnitt
Nachdem auf dem zentralen Dorfplatz ein Feuer entzündet wurde,
für das aus allen Häusern Holzscheite gesammelt wurde, versammeln
sich die Dorfbewohner um das Feuer. Von einem Sänger mit einer
Maraca angeführt, kommen die jüngeren Männer des Dorfes zum Dorfplatz
und tanzen um das Feuer, dazu singt eine der "besten Sängerinnen"
des Dorfes. Der Sänger mit der Maraca verteilt an die umstehenden
Frauen brennende Holzscheite, die diese auf bestimmte Männer werfen.
Andere Frauen gießen daraufhin Wasser auf die getroffenen Männer.
Der Schweizer René Fürst befaßt sich hauptsächlich mit den Indianerkulturen im oberen Xingú-Gebiet. Der vorgestellte Film stammt aus dem Jahr 1955 und zeigt die Beschwörungstänze der Kalapalo-Indianer.
Filmausschnitt
Festlich bemalte und geschmückte Männer spielen auf Musikinstrumenten,
die als große Flöten oder Klarinetten bezeichnet werden könnten,
aber nicht en detail gefilmt wurden. Die Männer ziehen, teilweise
in Begleitung von Mädchen und jungen Frauen, tanzend und spielend
über den Dorfplatz von Haus zu Haus. Wenngleich laut dem Begleitheft
angegeben ist, daß die Tänze im Innern der Hütte fortgeführt werden,
wurden lediglich die Beschwörungstänze im Außenbereich gefilmt.
Der Grund dafür liegt sicherlich an den technischen Bedingungen,
die es unmöglich machten, im relativ dunklen Inneren der Hütten
zu filmen.
An Hand der Beispiele werden einige Aspekte deutlich, die auf
den oben erwähnten Leitsätzen basieren und allen Filmen aus dieser
Reihe gemein sind: eine einzige Handlung, kein Originalton und
keine Erläuterungen. Hintergrundinformationen sind lediglich aus
den Begleitpublikationen (Publikationen zu wissenschaftlichen
Filmen) zu entnehmen. Diese beschreiben und erläutern das im Film
Gezeigte und informieren über die ethnische Gruppe im Allgemeinen.
Durch diese Maßnahmen wird natürlich eine Art wissenschaftliche
Abstraktion vorgenommen über die man sich bei der Analyse der
filmischen Quellen im Klaren sein muß. Darüber hinaus wird eine
musikethnologische Untersuchung aufgrund des fehlenden Tons erschwert.
In vielen Fällen wurden parallel Tonaufnahmen gemacht. Im Idealfall
müßten diese aufgesucht und dann mit dem Filmmaterial synchronisiert
werden.
Nichtsdestotrotz sind die Filme von großem historischen Wert.
Sie sind ein Zeitdokument und sie können genutzt werden, um Vergleiche
und Schlüsse zu ziehen mit der aktuellen Situation der jeweiligen
Ethnie.
An dieser Stelle soll auf zwei aktuellere Beispiele europäischer
Dokumentarfilme eingegangen werden. Beide Filme stammen aus den
90er Jahren. Sie wurden aus einem relativ großen Fundus der aktuellen
Dokumentationen über Brasilien, den Amazonas und/oder Indianer
ausgewählt. Die Filme wurden aus folgenden Gründen aus der Vielzahl
der Dokumentarfilme ausgewählt: erstens handelt es sich bei beiden
Filmen um eingehende Studien einer einzelnen Ethnie, zweitens
können an Hand der Filme verschiedene filmische Methoden und unterschiedliche
Darstellungen der jeweiligen Ethnie aufgezeigt werden.
Das erste Beispiel stammt aus einer belgischen Produktion. Dirk
Dumon drehte den 50min Film über das "mei wie moro-" Fest der
Kalapalo Anfang der 90er Jahre.
Filmausschnitt
Der Filmausschnitt zeigt die Männer des Dorfes die zur Vorbereitung des Festes in den Wald gegangen sind, um dort Wild für die Festlichkeiten zu erlegen. Der Film zeigt zunächst die Rückkehr der Männer zu ihrem provisorischen Lager. Der Häuptling des Stammes wird nach den verschiedenen Gesängen gefragt und erklärt, daß jedes Tier ein eigenes Lied besitzt. Die Unterhaltung verläuft in der Sprache der Kalapalo, eine niederländische Übersetzung wird simultan als Untertitel eingeblendet. Darauf folgt ein längerer Abschnitt in dem man die Männer am Lagerfeuer ihres Lagers singen hört. Der Text der Gesänge wird als Untertitel eingeblendet.
Diese Dokumentation filmt nicht nur das Leben der Kalapalo und
liefert aus dem Off Erklärungen oder Hintergrundinformationen,
sondern es findet darüber hinaus eine direkte Befragung der Indianer
zu ihren Ritualen und ihrem Lebensumfeld statt. Darüber hinaus
eignen sich die relativ langen und unkommentierten Tanz- und Gesangssequenzen
mit der eingeblendeten Übersetzung der gesungenen Lieder für Transkriptionen.
Die Möglichkeit, so eine Vielzahl von Transkriptionen anfertigen
zu können, würde eine musikethnologisch ausgerichtete Analyse
des Films abrunden und zusätzliche Analysemöglichkeiten bieten.
Das Filmmaterial des zweiten Filmausschnittes wurde von den beiden
deutschen Wissenschaftlern Jürgen Dieckert und Jakob Mehringer
über einen Zeitraum von vier Jahren gesammelt. Der Film Amji-Kin
- Der Lauf der Welt zeigt die mit den Klotzläufen der Canela -
die in der Trockenzeit stattfinden - einhergehenden Rituale und
Festlichkeiten.
Filmausschnitt
Der Ausschnitt zeigt die Indianer bei einem Fest, das bis in die
Morgenstunden dauert. Die Handlungen und Rituale werden auf zwei
unterschiedliche Weisen näher erläutert: eine weibliche Stimme
aus dem Off erläutert die Handlung im üblichen erklärenden Stil
einer Dokumentation, eine männliche Stimme aus dem Off nähert
sich dem Geschehen mittels der Mythen und Geschichten der Canela.
Leider werden die Texte der Sänger nicht, wie im vorangegangen
Beispiel, übersetzt. Die teilweise sehr kurzen Szenen, die vielen
Schnitte, aber auch die Stimmen aus dem Off machen eine Transkription
fast unmöglich. Diese wären aber sicherlich für eine musikethnologisch
ausgerichtete Analyse des Films sehr interessant.
Dieser kurze und unvollständige Abriß konnte hoffentlich deutlich
machen, welche Möglichkeiten der Film als Quelle für die weitere
Erforschung der brasilianischen Indianerkulturen bietet. Die vier
Beispiele können als die Spitze eines Eisberges gesehen werden.
Eine Vielzahl dokumentarischer Filme gilt es noch zu entdecken
und auszuwerten. Dabei ist es von großer Wichtigkeit, zunächst
die methodische Herangehensweise des Films, den ideengeschichtlichen
Hintergrund, aber auch diverse technische Aspekte in die Filmanalyse
einzubeziehen. Nur so können in der eigentlichen - musikethnologisch
ausgerichteten - Analyse Mißverständnisse und Fehlinterpretationen
vermieden werden.
Musik, Projekte und Perspektiven. A.A. Bispo u. H. Hülskath (Hgg.).
In: Anais de Ciência Musical - Akademie Brasil-Europa für Kultur-
und Wissenschaftswissenschaft. Köln: I.S.M.P.S. e.V., 2003.
(376 páginas/Seiten, só em alemão/nur auf deutsch)
ISBN 3-934520-03-0
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