Prof. Dr. A. A. Bispo, Dr. H. Hülskath (editores) e curadoria
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No. 83 (2003: 3)
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ZU: DISKUSSION ÜBER AUTORITÄRE KONZEPTIONEN IN DER MUSIKFORSCHUNG
Aus dem Kolloquium der Akademie Brasil-Europa (2001)
Elena Schwenzel
Wenngleich es zunächst vielleicht befremdlich erscheinen mag,
so sah bereits Platon einen engen Zusammenhang zwischen Musik
und Politik. Platon ging sogar so weit, die Gesetze der Musik
mit denen des Staates zu vergleichen: "Nirgendwo wird an den Gesetzen
der Musik gerüttelt, ohne daß auch die höchsten Gesetzte des Staates
ins Wanken geraten [
]. Dort müssen also die Wächter ihr Wachhaus
bauen: in der Nähe der Musik. Ja, Gesetzlosigkeit dringt leicht
in die Musik ein, ohne daß man es gewahr wird." Gleichzeitig erachtete
es Platon als unabdingbar, Gesetzlosigkeit in der Musik mit staatlichen
Mitteln zu unterbinden. Da Platon der Musik die Fähigkeit zuschrieb,
sich im Geist des Menschen festzusetzen und dort zu wirken, wollte
er sie darüber hinaus als politische Propaganda im weitesten Sinne
nutzen. Es ist demnach nicht überraschend, daß Musik, insbesondere
in autoritär geführten Staaten, einerseits als Politikum gefürchtet
und durch Zensur reglementiert wurde, andererseits als ideologisches
Vehikel genutzt wurde.
Die Wechselwirkungen zwischen Musik und Politik lassen sich sehr
gut an Hand der Entwicklungen in Deutschland in den 30er Jahren
des zwanzigsten Jahrhunderts verdeutlichen. Es bietet sich darüber
hinaus an, den wissenschaftlichen Aspekt in die Untersuchung einzubeziehen.
In der Forschung manifestierten sich politische (Re-)Interpretationen
oder ideologische Instrumentalisierungen der Musik sehr deutlich.
Dabei war die Hervorhebung des spezifisch Nationalen also ?Deutschen
von besonderer Bedeutung: "[
] viele Musikhistoriker [versuchten],
?das Deutsche in der Musik zu bestimmen. Hierzu gab es zahlreiche
Ansätze. Man versuchte, die deutsche Musikgeschichte als eine
organische Entwicklung dazustellen, mit der Tendenz, große Kompositionen
verschiedener Epochen Bach und Beethoven, Bach und Wagner, Bach
und Schumann und so weiter historisch zu verknüpfen, um musikalische
Gemeinsamkeiten zu finden."
Solche Ideen entstanden nicht erst in den 30er Jahren, vielmehr
stellte Bernd Sponheuer fest, daß sich die zwei Haupttendenzen,
aus denen eine Art deutsches Sonderbewußtsein hervorgehen konnte,
bereits im 19. Jahrhundert abzeichneten. Die Stichworte, mit denen
Sponheuer die beiden Haupttendenzen zusammenfaßt, lauten Nationalismus
und Kulturreligion.
Solche bereits entwickelten geistigen Strömungen wurden demnach
lediglich von den neuen Machthabern übernommen und für ihre Zwecke
instrumentalisiert. Dementsprechend konstatiert Sponheuer in einem
Artikel über den Zusammenhang von Musik, Faschismus und Ideologie,
daß "die zunehmend irrationale, mit Weltanschauung behaftete Wendung
der deutschen Musikverhältnisse des 19. Jahrhunderts ein Potential
von Denkfiguren und Verhaltensmustern entwickelt hat, das ohne
viele Umstände vom Nationalsozialismus integriert werden konnte."
Das Nationalistische kann weniger in den jeweiligen Ausdrucksmitteln
oder ideologischen Elementen gefunden werden, als in der spezifischen
Anordnung und in der rezeptiven Einbettung.
Es stellt sich demnach die Frage, wie und mit welchen Auswirkungen
auf die Forschung und Musikgeschichtsschreibung die Umfunktionierung
in der Musikwissenschaft stattgefunden hat. Seit den 70er Jahren
befaßten zunächst eher verhalten diverse Arbeiten mit dieser Fragestellung.
Umfassende Abhandlungen, die ausschließlich diesen Aspekt untersuchten,
wurden aber erst in den 90er Jahren veröffentlicht. Besondere
Erwähnung verdient die 1991 erschienene Arbeit Trends in German
musicology. 1918-1945, von Pamela Maxime Potter, in der sie sehr
umfassend die geistesgeschichtlichen Entwicklungen der Musikwissenschaft
von der Weimarer Republik bis zum Ende des 2. Weltkrieges darstellt
und reflektiert. Weitere Recherchen Potters in diesem Feld führten
zu neuen Erkenntnissen, die sie in einer 1998 erschienen Arbeit
Most German of the Arts, Musicology and Society from the Weimar
Republic to the End of Hitlers Reich zusammenfaßte. Darüber hinaus
gibt es eine Vielzahl von Arbeiten zu einzelnen musikwissenschaftlichen
Instituten. Dazu zählt beispielsweise Kurt Drexels Arbeit über
den Zusammenhang zwischen der Forschung am musikwissenschaftlichen
Institut der Universität Innsbruck und NS-Ideologie. Auch Eckhard
Johns Arbeit über die Musikwissenschaft in der Zeit des Nationalsozialismus
an der Freiburger Universität befaßt sich explizit mit der Rolle
der musikwissenschaftlichen Forschung beim Aufbau und Festigung
eines Mythos vom Deutschen in der deutschen Musik. Verschiedene
Aufsätze, die sich mit den Auswirkungen des Nationalsozialismus
auf die Bachforschung befassen, finden sich in den Leipziger Beiträgen
zur Bachforschung von 1995. Es gilt darüber hinaus eine Aufsatzsammlung
Musikwissenschaft - eine verspätete Disziplin? Die akademische
Musikforschung zwischen Fortschrittsglauben und Modernitätsverweigerung,
herausgegeben von Anselm Gerhard, zu erwähnen, in der diverse
Aspekte der Methodik und Ideengeschichte der Musikwissenschaft
behandelt werden. Eine Arbeit von Eckhard John über die Musikforschung
im Dritten Reich sowie eine Arbeit von Roman Brotbeck über die
(fehlende) Vergangenheitsbewältigung in der Musikwissenschaft
befassen sich explizit mit den Auswirkungen nationalsozialistischer
Vorstellungen auf die musikwissenschaftliche Forschung.
Wie schon dieser kurze und unvollständige Überblick über den Stand
der Forschung zeigt, gibt es bereits eine Vielzahl von Arbeiten
zu dieser Thematik. Dies bedeutet jedoch nicht, daß eine Auseinandersetzung
mit dem Thema nicht mehr lohnenswert sei. Interessant wäre in
diesem Zusammenhang beispielsweise eine genaue Analyse und Auswertung
der Lehre und Lehrinhalte in den musikwissenschaftlichen Instituten
in der Zeit zwischen 1933 und 1945. Eine solche Arbeit müßte das
Lehrangebot an den verschiedenen deutschsprachigen Universitäten
(also auch österreichischen und schweizerischen Universitäten,
sowie deutschen Universitäten im Ausland wie beispielsweise in
Prag) untersuchen. Dabei sollten folgende Fragestellungen berücksichtigt
werden: Was hat sich im Hinblick auf die Lehrinhalte nach 1933
verändert? Gab es überhaupt Veränderungen? Gab es Themenschwerpunkte,
wenn ja welche? Gab es Verlagerungen der Themenschwerpunkte zwischen
1933 und 1945, ausgelöst beispielsweise durch innen- oder außenpolitische
Ereignisse?
Als Quellenmaterial können die Vorlesungsverzeichnisse der Zeit
dienen. Diese erschienen bis 1935 in der Rubrik "Vorlesungen über
Musik an Universitäten und Hochschulen" in der Zeitschrift für
Musikwissenschaft, danach bis 1943 in der Nachfolgezeitschrift
Archiv für Musikforschung.
Allein die Titel der Vorlesungen und Seminare reichen jedoch als
Quellenmaterial nicht. Der Titel einer Vorlesung wie "Musikgeschichte
des Mittelalters" besitzt wenig Aussagekraft über die ideologischen
und methodologischen Schwerpunkte des Faches. Wenn aber festgestellt
werden kann, daß die Musik des Mittelalters sehr viel häufiger
als zuvor oder als danach in Vorlesungen und Seminaren thematisiert
wurde, so ist dies ein interessanter Hinweis. Um die Aussagekraft
des Titels einer Vorlesung zu stärken, bietet es sich darüber
hinaus an, Artikel oder Bücher der dozierenden Professoren, die
sich mit dem gleichen Thema befassen, in die Untersuchung einzubeziehen.
Beispielsweise hielt Prof. Dr. Joseph Müller-Blattau im Wintersemester
1937/38 eine Vorlesung mit dem Titel "Geschichte der deutschen
Musik", 1938 erschien im Vieweg-Verlag ein Buch des Professors
mit dem gleichen Titel. Es liegt demnach nahe, daß der Inhalt
des Buches sich nicht wesentlich vom Inhalt der Vorlesung unterschieden
hat. Es wäre also möglich, die Vorlesung an Hand des Buches zu
rekonstruieren. Auch die Befragung von Zeitzeugen bietet interessante
Möglichkeiten. Leider sind fast 60 Jahre nach dem Krieg viele
der ehemaligen Studenten verstorben.
Bereits bei einer ersten, oberflächlichen Betrachtung der Vorlesungsverzeichnisse
fallen interessante Entwicklungen auf. Nach 1933 traten gehäuft
Titel auf, die darauf hinweisen, daß in den Kursen und Vorlesungen
Fragestellungen zum Thema Rasse und Musik behandelt wurden. Dies
gilt beispielsweise für die Übung Völkische und persönliche Eigenart
in der musikalischen Ausdrucksgestaltung, die im WS 1933/34 in
Hamburg von Prof. Dr. Wilhelm Heinitz angeboten wurde, aber auch
für die im WS 1933/34 in München gehaltene Vorlesung Einfluss
der Rasse auf die Musikentwicklung von Prof. Dr. Alfred Lorenz.
Auch die Vorstellung einer Überlegenheit der deutschen Musik wurde
häufig schon im Titel deutlich. Dies gilt beispielsweise für die
von PD Dr. Walter Vetter im WS 1933/34 in Hamburg gehaltenen Vorlesung
Die Stellung der deutschen Musik innerhalb der allgemeinen Musikgeschichte
seit 1300 oder für die im Sommersemester 1934 von Prof. Dr. Heinrich
Besseler an der Universität Heidelberg angebotene Vorlesung über
Wesen und Aufgabe der deutschen Musik und Kunst. Ein gesteigertes
Interesse an der deutschen Volksmusik kann ebenfalls konstatiert
werden. Beispielsweise hielt Prof. Dr. Joseph Müller-Blattau im
SS 1935 an der Universität Königsberg (Pr.) eine Vorlesung über
Das deutsche Volkslied nach Stämmen und Landschaften und Prof.
Dr. Heinrich Besseler eine Vorlesung über Das deutsche Volkslied
an der Universität Heidelberg im Sommersemester 1936.
Untersucht man die Vorlesungsverzeichnisse z.B. der 20er Jahre,
so erkennt man, daß auch hier ähnliche Thematiken behandelt wurden.
Im Sommersemester 1922 hielt Prof. Dr. Max Friedländer in Berlin
eine Vorlesung über Das deutsche Volkslied, mit musikalischen
Beispielen und im Wintersemester 1921/22 hatte Prof. Dr. Max Dietz
in Wien Die Führer und Bahnbrecher der neuromantischen Tonkunst
(in der Sinfonik, im Oratorium und in der Oper) behandelt. Es
wird somit deutlich, daß die Vorstellungen und Ideen nicht erst
nach der Machtübernahme 1933 entstanden. Vielmehr bestätigt sich
hier erneut, daß der Nationalsozialismus problemlos bereits vorhandene
Denkfiguren und Verhaltensmuster integrieren und für sich instrumentalisieren
konnte. Gleichzeitig fanden bisher eher skeptisch betrachtete
Ideen auch in einer breiten wissenschaftlichen Schicht Zustimmung
und Aufnahme. So schreibt Pamela Potter: "The new regime managed
to locate some common ground between musicologists and Nazi ideologues.
Nazi party and state functionaries channelled resources into the
already growing area of German folk music, in the hope that scholars
would enrich the repertoire of songs for use in schools, political
functions, and the Wehrmacht."
Im Rahmen der hier gegebenen Möglichkeiten kann nur aufgezeigt
werden, daß es nach wie vor notwendig ist, der Frage nach den
Auswirkungen des Nationalsozialismus auf die Forschung und Musikgeschichtsschreibung
nachzugehen. Eine genaue Untersuchung des Lehrplans, eine Möglichkeit
die hier lediglich angedeutet werden konnte, stellt einen Ausgangspunkt
weiterer Forschungsfelder dar. Eine solche Fragestellung gliedert
sich wiederum in die umfassendere Fragestellung nach dem Zusammenhang
zwischen Musik und Politik ein, die von allgemeinen politischen
und gesellschaftlichen Interesse sein sollte.
Da publicação:/Aus der Veröffentlichung:
Musik, Projekte und Perspektiven. A.A. Bispo u. H. Hülskath (Hgg.).
In: Anais de Ciência Musical - Akademie Brasil-Europa für Kultur-
und Wissenschaftswissenschaft. Köln: I.S.M.P.S. e.V., 2003.
(376 páginas/Seiten, só em alemão/nur auf deutsch)
ISBN 3-934520-03-0
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