Prof. Dr. A. A. Bispo, Dr. H. Hülskath (editores) e curadoria científica
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No. 86 (2003: 6)


 

    Entidades promotoras
    Akademie Brasil-Europa
    I.S.M.P.S. e.V./I.B.E.M.: Institut für Studien der Musikkultur des portugiesischen Sprachraumes/Instituto Brasileiro de Estudos Musicológicos
    ACDG: Associação Cultural Cante e Dance com a Gente (Novo Hamburgo RS)
    Institut für hymnologische und musikethnologische Studien e.V. (Maria Laach)

    Direção geral
    Dr. Antonio A. Bispo
    Direção Forum RS
    Dra. Helena de Souza Nunes, Rodrigo Schramm

© Foto: H. Hülskath, 2002
Archiv A.B.E.-I.S.M.P.S.

 

DOKUMENTARFILME ALS HISTORISCHE QUELLEN FÜR WISSENSCHAFT UND REKONSTRUKTION INDIGENER GESCHICHTE UND IDENTITÄT

Aus dem Kolloquium "Europa und die Klangwelt der Indianer" der Akademie Brasil-Europa (2002)

Elena Schwenzel

 

1. Indianerkulturen im europäischen Dokumentarfilm

Filmes documentários como fontes históricas para a pesquisa e a reconstrução da história e da identidade indígenas

Elena Schwenzel

A conferencista apresentou uma versão modificada de trabalhos desenvolvidos por ocasião do Colóquio Internacional "Europa e o Universo Sonoro dos Índios", realizado em Colonia, República Federal da Alemanha, pela Academia Brasil-Europa, em julho de 2002.

Aproveitando a participação de índios de cultura Krahô e Xerente no Congresso, o objetivo principal da conferência foi apresentar trechos de filmes etnográficos raros para uma discussão intercultural.

A autora tratou das modificações ocorridas nas concepções e nas técnicas do filme etnográfico.

Bei Kulturen, die keine schriftliche Tradition kennen, ist die Quellenerhebung oftmals sehr schwierig. Meist kann durch Feldforschung lediglich der Status quo analysiert werden. Eine Untersuchung der Entwicklung oder der Vergangenheit eines Stammes und Vergleiche mit früheren Zuständen sind kaum möglich.

Hinweise über bestimmte Phasen einer Indianerkultur, Kulturwandel oder bereits ausgelöschte Bevölkerungsgruppen brasilianischer Indianerkulturen finden sich in historischen Quellen unterschiedlicher Art und unterschiedlicher Sprachen. So können Berichte von Seefahrern, Briefe von Missionaren, Darstellungen von Abenteurern, Chroniken, aber auch Tagebücher oder Berichterstattungen von naturhistorischen, geographischen und militärischen Expeditionen in Betracht gezogen werden.

Eine bisher weniger genutzte Quelle ist die Fotografie und der Film.

Im Rahmen dieses Vortrages können gleichwohl nur die Möglichkeiten einer ausführlichen Behandlung umrissen werden. Aus diesem Grund soll die Thematik zunächst auf den europäischen Dokumentarfilm begrenzt werden. Es wird darüber hinaus versucht, die verschiedenen Etappen des europäischen Dokumentarfilms über die Indianerkulturen Brasiliens darzustellen. Dadurch soll deutlich werden, welche Möglichkeiten der Dokumentarfilm als Quelle für musikethnologische Forschung hat, welche Aspekte bei der Analyse der Filme beachtet werden müssen und wie sinnvoll eine weitere Beschäftigung und damit die weitere Suche nach Filmmaterial ist.

Die frühesten filmischen Dokumente europäischer Filmemacher über brasilianische Indianer stammen aus der Jahrhundertwende. Der Lehrer und Philologe Theodor Koch-Gründberg (1872-1924) unternahm mehrfach Expeditionen in das Rio-Negro-Gebiet. Dort filmte er ab 1911 die Taulipang. Eine Auswahl seines Filmmaterials ist erhalten und kann beim Institut für den Wissenschaftlichen Film (IWF) in Göttingen angefordert werden.

Ein andere deutscher Forscher, der die Möglichkeiten des Films nutze, war Emil Heinrich Snethlage (1897-1939). Snethlage war von Hause aus Botaniker, widmete sich aber später der Ethnologie. Er arbeitete für das Völkerkundemuseum in Berlin und unternahm 1923 und 1933 in dessen Auftrag zwei Forschungsreisen nach Brasilien. Auf die zweite Forschungsreise, die er ins Guaporé-Gebiert unternahm, folgte 1935 eine Ausstellung im Berliner Völkerkundemuseum. Im Rahmen dieser Ausstellung wurde das auf der Expedition gefilmte Material unter dem Titel Indianerkulturen im Grenzgebiet Bolivien/Brasilien vorgeführt. Das Material zeigt verschiedene Indianerstämme dieses Grenzgebietes. Sie wurden sowohl bei alltäglichen Tätigkeiten, als auch bei Tänzen, Ritualen und Zeremonien gefilmt. Snethlage machte auch einige Tonaufnahmen. Die Rollen befinden sich gleichfalls im Besitz des Völkerkundemuseums. Es ist größtenteils möglich, das Tonmaterial mit dem Filmmaterial zu synchronisieren. Dies ist bereits mit einigen Szenen geschehen. Leider ist das Verfahren sehr aufwendig und kostspielig. Für die musikethnologische Analyse des Films wäre eine solche Synchronisation sicherlich von großem Nutzen.

Nach diesen beiden Beispielen für den wissenschaftlichen Dokumentarfilm soll nun auf den damaligen kommerziellen Dokumentarfilm eingegangen werden: den Kulturfilm. Die Ufa gründete bereits 1919 eine Kulturfilmabteilung. Diese hatte eine starke (volks-)pädagogische Ausrichtung.

Anton Brückner reiste 1924/25 als erster nach Brasilien, um dort für die Ufa Kulturfilme zu drehen. Das Resultat hieß "Urwelt im Urwald" und war so erfolgreich, daß Brückner Ende der 20er Jahre für ein weiteres Projekt erneut nach Brasilien reiste. Dort verstarb Anton Brückner. Seine Frau Pola Brückner führte gemeinsam mit Curt Unkel Nimuendajú das Projekt zu Ende. Der Film lief 1931 in Deutschland an.

Während Anton Brückner mit einem wissenschaftlichen Anspruch an seine Filmarbeiten ging, was auch die Wahl Curt Unkel Nimuendajús als wissenschaftlichen Berater belegt, so drehten seit Mitte der 30er Jahre vor allem junge Abenteurer Filme im brasilianischen Urwald. Abenteurer wie Otto Schulz-Kampfhenkel oder die Brüder Franz und Edgar Eichhorn sahen sich viel mehr als "Forscher, Jäger, Pilot und Sportler" denn als Ethnologen oder ethnologisch interessierte Amateurforscher. Eine solche Einstellung muss bei der Analyse der Filme bedacht werden.

Abgesehen davon, daß während der Aufnahmen viel Material durch Umwelteinflüsse (Hitze, Luftfeuchtigkeit etc.) Schaden erlitten hat und daher auch damals nur Teile des gefilmten Materials dem Publikum gezeigt werden konnten, ist heute ein Großteil der Filme verschollen. Deshalb ist es häufig nur möglich, Inhalt und Themen an Hand von Rezensionen (beispielsweise aus dem Film-Kurier) zu rekonstruieren.

Mitte der 30er Jahre gründete die nationalsozialistische Regierung ein zentrales Institut für Lehrfilme, das als Reichsstelle für den Unterrichtsfilm bezeichnet wurde. Die Kulturfilmabteilung der Ufa wurde dieser Reichsstelle angeschlossen. Später wurde dieses Institut zur Reichsanstalt für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht (RWU). Nach dem Krieg stuften die aliierten Streitkräfte das Institut als neutral und objektiv ein und es konnte somit seine Arbeit fortführen. 1956 wurde es zu einem eigenständigen Institut: dem Institut für den Wissenschaftlichen Film (IWF).

Im Rahmen dieses Instituts wurde 1952 von Gotthard Wolf in Zusammenarbeit mit Konrad Lorenz eine eigenständige Reihe mit dem Namen Encyclopaedia Cinematographia (EC) gegründet. Die Filme dieser Reihe waren keine pädagogischen Lehrfilme, sondern die Filme sollten der wissenschaftlichen Arbeit dienen: "Die Aufgabe der wissenschaftlichen Filmenzyklopädie besteht in der Erfassung und Fixierung der wissenschaftlich bedeutungsvollen Bewegungsvorgänge und Verhaltensweisen bei Tieren, Pflanzen, Stoffen und schließlich auch beim Menschen."

Diese "Bewegungsvorgängen" werden als einzelne Filmeinheiten, die aus einem einzigen Thema oder einem Phänomen bestehen, gefilmt. Laut Peter Fuchs können anthropologische Filmeinheiten auf zwei Ebenen miteinander verglichen werden: gleiche Tätigkeiten verschiedener Ethnien oder unterschiedliche Tätigkeiten der gleichen Ethnie. Um zu gewährleisten, daß die Filmeineinheiten vergleichbar sind, wurden 1956 die "Leitsätzen zur völkerkundlichen und volkskundlichen Filmdokumentation" aufgestellt. Diese beinhalteten folgende Grundsätze: "unity of place, time, group and event, together with strict obedience ot the chronology of the event in the final version of the film. Artificial manipulation in either shooting or cutting is not permitted. A scientific film also rules out the use fo staged scenes." Ein weiterer Grundsatz, der insbesondere für die musikethnologische Betrachtung von Bedeutung ist, ist der Verzicht auf eine akustische Dokumentation, daher sind alle ethnologischen Filme der EC Stummfilme.

Filme über die Indianer Brasiliens in der EC wurden von Harald Schultz und René Fürst aufgenommen. Harald Schultz arbeitete für das Museu Paulista in São Paulo und befaßte sich insbesondere mit den Krahó Indianern. Der beispielhaft vorgestellte Film über die Feuerbrand-Zeremonie der Krahó stammt aus dem Jahr 1965.

Der Schweizer René Fürst befaßt sich hauptsächlich mit den Indianerkulturen im oberen Xingú-Gebiet. Der vorgestellte Film stammt aus dem Jahr 1955 und zeigt die Beschwörungstänze der Kalapalo-Indianer.

An Hand der Beispiele werden einige Aspekte deutlich, die auf den oben erwähnten Leitsätzen basieren und allen Filmen aus dieser Reihe gemein sind: eine einzige Handlung, kein Originalton und keine Erläuterungen. Hintergrundinformationen sind lediglich aus den Begleitpublikationen (Publikationen zu wissenschaftlichen Filmen) zu entnehmen. Diese beschreiben und erläutern das im Film Gezeigte und informieren über die ethnische Gruppe im Allgemeinen. Durch diese Maßnahmen wird natürlich eine Art wissenschaftliche Abstraktion vorgenommen über die man sich bei der Analyse der filmischen Quellen im Klaren sein muß. Darüber hinaus wird eine musikethnologische Untersuchung aufgrund des fehlenden Tons erschwert. In vielen Fällen wurden parallel Tonaufnahmen gemacht. Im Idealfall müßten diese aufgesucht und dann mit dem Filmmaterial synchronisiert werden.

Nichtsdestotrotz sind die Filme von großem historischen Wert. Sie sind ein Zeitdokument und sie können genutzt werden, um Vergleiche und Schlüsse zu ziehen mit der aktuellen Situation der jeweiligen Ethnie.

An dieser Stelle soll auf zwei aktuellere Beispiele europäischer Dokumentarfilme eingegangen werden. Beide Filme stammen aus den 90er Jahren. Sie wurden aus einem relativ großen Fundus der aktuellen Dokumentationen über Brasilien, den Amazonas und/oder Indianer ausgewählt. Die Filme wurden aus folgenden Gründen aus der Vielzahl der Dokumentarfilme ausgewählt: erstens handelt es sich bei beiden Filmen um eingehende Studien einer einzelnen Ethnie, zweitens können an Hand der Filme verschiedene filmische Methoden und unterschiedliche Darstellungen der jeweiligen Ethnie aufgezeigt werden.

Das erste Beispiel stammt aus einer belgischen Produktion. Dirk Dumon drehte den 50min Film über das "mei wie moro-" Fest der Kalapalo Anfang der 90er Jahre.

Diese Dokumentation filmt nicht nur das Leben der Kalapalo und liefert aus dem Off Erklärungen oder Hintergrundinformationen, sondern es findet darüber hinaus eine direkte Befragung der Indianer zu ihren Ritualen und ihrem Lebensumfeld statt. Darüber hinaus eignen sich die relativ langen und unkommentierten Tanz- und Gesangssequenzen mit der eingeblendeten Übersetzung der gesungenen Lieder für Transkriptionen. Die Möglichkeit, so eine Vielzahl von Transkriptionen anfertigen zu können, würde eine musikethnologisch ausgerichtete Analyse des Films abrunden und zusätzliche Analysemöglichkeiten bieten.

Das Filmmaterial des zweiten Filmausschnittes wurde von den beiden deutschen Wissenschaftlern Jürgen Dieckert und Jakob Mehringer über einen Zeitraum von vier Jahren gesammelt. Der Film Amji-Kin - Der Lauf der Welt zeigt die mit den Klotzläufen der Canela - die in der Trockenzeit stattfinden - einhergehenden Rituale und Festlichkeiten.

Leider werden die Texte der Sänger nicht, wie im vorangegangen Beispiel, übersetzt. Die teilweise sehr kurzen Szenen, die vielen Schnitte, aber auch die Stimmen aus dem Off machen eine Transkription fast unmöglich. Diese wären aber sicherlich für eine musikethnologisch ausgerichtete Analyse des Films sehr interessant.

Dieser kurze und unvollständige Abriß konnte hoffentlich deutlich machen, welche Möglichkeiten der Film als Quelle für die weitere Erforschung der brasilianischen Indianerkulturen bietet. Die vier Beispiele können als die Spitze eines Eisberges gesehen werden. Eine Vielzahl dokumentarischer Filme gilt es noch zu entdecken und auszuwerten. Dabei ist es von großer Wichtigkeit, zunächst die methodische Herangehensweise des Films, den ideengeschichtlichen Hintergrund, aber auch diverse technische Aspekte in die Filmanalyse einzubeziehen. Nur so können in der eigentlichen - musikethnologisch ausgerichteten - Analyse Mißverständnisse und Fehlinterpretationen vermieden werden.

 

Alguns textos dos anais do Congresso foram publicados em:/Einige Texte der Annalen des Kongresses wurden veröffentlicht in:
Musik, Projekte und Perspektiven. A.A. Bispo u. H. Hülskath (Hgg.).
In: Anais de Ciência Musical - Akademie Brasil-Europa für Kultur- und Wissenschaftswissenschaft. Köln: I.S.M.P.S. e.V., 2003.
(376 páginas/Seiten, só em alemão/nur auf deutsch)
ISBN 3-934520-03-0

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