Prof. Dr. A. A. Bispo, Dr. H. Hülskath (editores) e curadoria científica
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No. 85 (2003: 5)


 

    Entidades promotoras
    Akademie Brasil-Europa
    I.S.M.P.S. e.V./I.B.E.M.: Institut für Studien der Musikkultur des portugiesischen Sprachraumes/Instituto Brasileiro de Estudos Musicológicos
    ACDG: Associação Cultural Cante e Dance com a Gente (Novo Hamburgo RS)
    Institut für hymnologische und musikethnologische Studien e.V. (Maria Laach)

    Direção geral
    Dr. Antonio A. Bispo
    Direção Forum RS
    Dra. Helena de Souza Nunes, Rodrigo Schramm

Catira, Sessão final do Congresso em Joanópolis
© Foto: H. Hülskath, 2002
Archiv A.B.E.-I.S.M.P.S.

 

PERMANENZ UND WANDLUNG RITUELLER KOMMUNIONSFORMEN ZWISCHEN MENSCHEN UND HEILIGEN IN VON DER GLOBALISIERUNG ERFASSTEN GRENZREGIONEN:
FALLBEISPIEL MATO GROSSO

[Zusammenfassender Bericht]

Martha Haug

 

Este estudo, apresentado no Congresso de Estudos Euro-Brasileiros 2002, tratou da comunhão ou da interação entre homens e santos no exemplo de formas de culto de S. João Batista e São Benedito em Mato Grosso. A pesquisa dirigiu-se a formas particulares de culto ou atos devocionais caseiros. Ao lado de orações, ladainhas e levantamento de mastro, realiza-se o Cururo, Siriri ou Baile. Os atos podem também apenas constar de orações, com ou sem levantamento de mastro.

S. João Batista é festejado sobretudo na véspera do dia de seu nascimento, o 24 de junho. Este fato é uma exceção à regra, pois as festas de santos são celebradas no dia de sua morte.

Dieser Vortrag behandelt die Kommunion bzw. die Interaktion zwischen Menschen und Heiligen unter besonderer Berücksichtigung von Kultformen des hl. Johannes d. T. und Benedikt (v. S. Philadelphus) in Mato Grosso. Zentrales Ziel der Forschung waren die privaten Kultformen bzw. Hausandachten. Elemente dieser kultischen Handlungen sind neben Gebetsformen bzw. Litaneien u.a. die Aufstellung eines Mastes und die Durchführung des Cururu, Siriri oder Ball. Sie können auch allein aus dem Gebet bestehen, mit oder ohne Mastaufstellung.

Johannes d.T. wird vor allem am Vortag seines Geburtstages am 24. Juni gefeiert. Dies ist eine Ausnahme von der Regel, denn die übrigen Heiligenfeste erfolgen am Todestag. Nach Augustinus erklärt sich diese Ausnahme dadurch, daß Johannes d.T. bereits im Mutterleib geheiligt worden war, d.h. er kam bereits geheiligt und ohne Sünde auf die Welt. Hier in dieser Region gibt es die Observanz des "verspäteten Johannes", wenn der Gläubige aus Not oder den Umständen heraus das Fest an einem späteren Datum feiert. Dies kann dann im Verlaufe des Monats Juli oder auch im August stattfinden. Ein Pilgerzug mit Folias oder zur Sammlung von Almosen für die Durchführung des Festes konnte nicht festgestellt werden, und auch die Informanten konnten darüber keine Auskunft geben. Es konnte auch nicht festgestellt werden, daß man ihm Gelübde ablegt, und auch Wunder werden ihm nicht zugesprochen. Man sagt, Johannes schläft.

Als sich Karl von den Steinen vor seiner Xingú-Expedition1884 in Cuiabá aufhielt, konnte er bereits beobachten, daß dem Johannes keine Versprechungen gemacht werden, denn er befindet sich bis zum Tag des Gerichts im Schlaf. Bis dahin soll er keine Wunder vollziehen. Wenn er wissen könnte, an welchem Tag sein Fest gefeiert wird, dann würde die ganze Welt in einem Brand vernichtet werden. Eine Informantin aus Barão de Melgaço - einer Region im Pantanal von Mato Grosso - gab hierzu eine Erläuterung: Johnnes schläft an seinem Tag, weil er vor dem Feuer Angst hat; da es an diesem Festtag viele Feuer bzw. Erdfeuer gibt, sieht er seinen Festtag nicht. Dies sei die Erklärung für den Text gesungener Verse. Der Einsatz von Feuerwerkskörpern an diesem Festtag wird von manchen als ein Versuch erklärt, den Heiligen zu wecken.

Da keine Gelübde abgelegt werden, bezieht sich die Verehrung auf den Namen selbst oder auf den Geburtstag desjenigen, der das Fest veranstaltet und der Festeiro oder Dono do Santo genannt wird, da er ein Bild des Heiligen besitzt. Das Gebet wird in einem Raum des Hauses dieses Gläubigen gegenüber dem Altar verrichtet und wird von einem "Kaplan" (capelão) oder einer "Kaplanin" geleitet, der bzw. die auch als Beter oder Beterin (rezador, rezadora) sowie Anführer oder Anführerin (puxador, puxadora) bezeichnet wird. Dieser Beter kann nämlich ein Mann oder eine Frau sein, und er verrichtet das Gebet alleine oder mit Hilfe eines Lehrlings, der Helfer (ajudante) genannt wird. Sie stehen vor dem Altar, und hinter ihnen steht der Hausherr, dem die anderen Assistierenden folgen.

Das Ritual im Inneren des Hauses besteht aus gesprochenen und gesungenen Gebeten, dem Lobgesang des Heiligen und dem Küssen seines Bildes zum Abschluß. Alle Teilnehmer begeben sich schweigend zum Altar, nehmen im Gefühl der Kommunion kniend das Bild vom Altar und küssen es.

Während dieses Ritus singen die Teilnehmer wiederholt dieselben Verse, die sich auf die Dreifaltigkeit beziehen. Mit Vivas für den Heiligen und den Hausherrn wird das Gebet abgeschlossen. Wenn es einen Mast gibt, dann begeben sich alle in einer Prozession zum Vorhof des Hauses, wobei der Hausherr das Bild voranträgt. Sie heben ein Loch aus, das Grab Jesu genannt wird, und pflanzen den Mast ein. Dieser Johannes-Mast trägt oben eine Flagge mit dem Emblem des Heiligen, wobei die Farbe rot vorherrscht. Die Zeremonie erfolgt beim Licht der Kerzen, die die Teilnehmer tragen, oder des Erdfeuers. Sie wird von dem Gesang der Gläubigen oder von dem Lob-Cururu begleitet. Der Höhepunkt ereignet sich um Mitternacht, wenn sich alle zu einem Fluß oder Bach begeben - manchmal wegen der großen Entfernung oder heute wegen der Umweltverschmutzung zu einem Becken im Hinterhof. Dort wäscht man das Bild im Wasser bzw. tauft es. Der Weg dahin und die Zeremonie werden von den Kerzen beleuchtet und von einem Gesang für Johannes begleitet.

Das Waschen beschränkt sich auf die Füße der Heiligenfigur. Auch die Füße anderer können freiwillig gewaschen werden. Dies führt zur Symbolik der Zeremonie der Fußwaschung Christi. Man wäscht eben den Fuß des Johannes wie Jesu die Füße der Apostel wusch. Darauf beziehen sich volkstümliche Verse, die in der Region von S. Antonio de Leverger sehr verbreitet sind. Es gibt zahlreiche Observanzen und Voraussagen bei dieser Zeremonie. So soll jemand innerhalb eines Jahres sterben, der sein eigenes Spiegelbild nicht im Wasser erblickt. Aus diesem Grund vermeiden viele es, nach unten zu schauen. Die Johannesnacht ist bekanntlich für verschiedene magische Praktiken besonders geeignet.

Die Kommemoration des hl. Benedikts (des Schwarzen) gehört zu den wichtigsten von Mato Grosso, da der Heilige als besonders wundertätig gilt. Er wird als ein Heiliger angesehen, mit dem "nicht zu spaßen ist". Genauso schnell jedoch, wie er zur Gnade verhilft, bestraft er diejenigen, die ihre Versprechungen nicht erfüllen. Ihm wird das Heilen von Erkrankungen zugeschrieben, weshalb er ausdrücklich auch als hl. Benedikt der Heilungen (S. Benedito das Curas) bezeichnet wird. Man erzählt, er sei ein Kind von Sklaven, sei aber durch Bestimmung des Herrn seiner Eltern frei geboren. Er arbeitete auf dem Land und trat später in ein Kloster ein, wo er als Koch wirkte. Daher gilt er auch als Schutzpatron der Köche. Er soll im Verborgenen Speisen zu den Armen gebracht haben. Als er dabei von seinen Oberen ertappt wurde, sollen sich die Speisen in Blumen verwandelt haben. Obwohl er Analphabet gewesen sein soll, war er in der Lage, über die Heilige Schrift zu lehren, die er auswendig kannte. Er konnte vor allem schwer verständliche Stellen in ihrem Sinn erkennen und deuten. Der Heilige Geist war es, der durch ihn sprach. Diese Legende wurde von einem Goldsucher (Garimpeiro) übermittelt, der lange Jahre bis zu seinem Tod in seinem Haus ein Essen mit dem Namen "Mahl des hl. Benedito" veranstaltete, das allen zugänglich war. Dieser Mahl wurde stets am 2. Sonntag des Juli veranstaltet. Er erhoffte sich damit, nach seinem Tod einen Anwalt in der Person des hl. Benedikt im Himmel zu haben.

In Mato Grosso erfolgen die Kommemorationen des Heiligen im Monat Juli. In der Benedikt-Kirche von Cuiabá werden sie an jedem Sonntag dieses Monats gefeiert. Anders als Johannes werden ihm Versprechungen gemacht, die in der Regel in der Weise erfüllt werden, daß das Gebet (Reza) von einem bezahlten Beter geleitet wird. Dieser verrichtet es entweder aus dem Gedächtnis oder benutzt dabei ein handgeschriebenes Heft. Nach dem Gebet können auch der Cururu oder bzw. und der Ball (baile) veranstaltet werden. Dem Festzug geht die Bandeira (Flagge) voraus. Sie durchzieht die Straßen zum Zweck der Spendensammlung.

In Cuiabá wird die Bandeira der entsprechenden Kirche mit Blaskapelle begleitet, die u.a. den Hymnus des hl. Benedito spielt. Dieser Hymnus wurde vermutlich zu Beginn des 20. Jahrhunderts von João Marinho da Fonseca geschrieben, der auch der Autor des Hymnus des Göttlichen Heiligen Geistes ist. Die Kapelle tritt auch während des Umzugs auf. In solchen Kapellen spielen Laienmusiker, und ihr Instrumentarium besteht aus Blasinstrumenten, Gitarren und Banjo. Das Banjo wird in der Region nach den Informanten von altersher -geschätzt seit etwa 140 Jahren - gespielt, d.h. es ist keine neue Erscheinung in der Volkskultur. Die Bandeira in ihrer informellen Erscheinungsweise kann von Instrumenten wie kleiner Trommel, Viola oder Akkordeon, mit oder ohne Gesang, begleitet werden. Sie kann aber auch alleine ohne Begleitung, nur von einer Person getragen, erscheinen. Wenn Gesänge (Cantoria) vorgetragen werden, dann erfüllt das Singen verschiedene Funktionen, nämlich zur Kennzeichnung der Ankunft bei den Häusern, der Bitte um Zutritt, der Danksagung, der Bitte um Beherbergung - wenn die Entfernung weit ist oder im Hinterland - oder des Abschieds.

In Cuiabá oder in der Cuiabania genannten Region zählt das Küssen (Beijação) zu einem der Riten der Kommunion mit dem Heiligen. Auch hier kommt es anschließend zur Errichtung des Mastes, wobei der Gesang intoniert wird, der der populärste der Region ist. Er wird als der schönste aller Hymnen angesehen und von einigen als Hymnus der Orangenbaumblüten bezeichnet, ein Name, der dem Inhalt der traditionell gesungenen Verse entnommen wird. In denen heißt es nämlich, das Haus, in dem sich der Heilige befindet, sei wohlriechend nach verschiedenen Düften. Dieser Vers kann mit dem Vierzeiler verglichen werden, der nach Kulturforschern in Portugal früher bei dem Marinha-Fest der Freguesia Segura vorgetragen wurde.

In Vila Bela da Santíssima Trindade, das an den Ufern des Guaporé-Flusses an der Grenze zu Bolivien gelegen ist und aus historischen Gründen einen großen Bevölkerungsanteil afrikanischer Herkunft hat - es wird deshalb auch als Stadt der Schwarzen bezeichnet -, folgt das Fest des S. Benedito seiner Bedeutung nach unmittelbar dem Fest des Heiligen Geistes. Die Gläubigen nehmen aktiv an beiden Festen teil. Es wurde beobachtet, daß die Teilnehmer der Folias do Divino mit ihren Musikinstrumenten bei der Feier der Erhebung des Mastes von S. Benedito anwesend sind. Der Führer der Folia - der auch Akkordeon spielt - hat auch das Amt des Botschafters beim Congo-Tanz inne. In Villa Bela gibt es bei den Bräuchen von S. Benedito keine Bandeira und keine Spendensammlung. Die Menschen tragen nach ihren Möglichkeiten zur Veranstaltung des Festes bei. Dort finden auch die Erhebung des Mastes von S. Benedito sowie der Congo-Tanz statt, wobei der Mast in den Farben blau und weiß geschmückt wird. Eine Sängerin führt den Gesang an, der Mast wird von Mitgliedern der Benedito-Bruderschaft, denen der Festrichter vorangeht, errichtet. Die Einpflanzung des Mastes mit dem Emblem des Heiligen erfolgt zum Geräusch der vielen Feuerwerkskörper vor der Kirche auf der rechten Seite des Mastes des Heiligen Geistes. Das beobachtete Gebet wurde im Haus des Festrichters vor einem Altar mit den Bildern der hl. Ana und des hl. Franziskus gehalten. Inmitten dieser Heiligen befanden sich Bildnisse der Marienempfängnis und von P. Cicero. Der hl. Benedito war dort durch Symbole vertreten, die die Festveranstalter identifizieren: auf einer Platte standen die Kronen des Königs und der Königin, das Zepter des Königs sowie die Stäbe der Richter, alles aus Silber und umwickelt mit Streifen in den Farben blau, weiß, rot, grün und gelb. Die Gläubigen nahmen rechts und links in Reihen Platz. In der Mitte nahmen vorne die beiden Frauen - die Beterin und ihre Helferin - Stellung.

Die Beterin las aus einer handschriftlichen Notiz, die Helferin wiederholte dies, und ihr wurde von den Anwesenden im Chor geantwortet. Es war eine kurze Andacht, zu der ein Jesus-Gesang, die Marianische Litanei, das Salve Regina und der Hymnus an S. Benedito gehörten. Mit Vivas für den Heiligen und den Richter wurde das Fest abgeschlossen. Am nächsten Tag erfolgte der Umzug durch die Straßen mit anschließendem Congo-Tanz.

Wenn Brasilien das Kind von Portugal ist, so ist Mato Grosso Kind von São Paulo. Der Prozeß der Eingliederung der Region in einen globalen Zusammenhang geht auf das 16. und 17. Jahrhundert zurück, als das Gebiet von spanischen Expeditionen durchzogen wurde, die sich aus der La Plata-Region in Richtung Peru begaben. Auch die Jesuiten-Missionen trugen maßgeblich dazu bei, wie etwa die Studien von Serafim Leite zeigen. Dieser Prozeß wurde im 18. Jahrhundert durch die Entdeckung der Goldminen beschleunigt und führte zur Eingliederung der Region in den portugiesischen Machtbereich. Heute bleibt Mato Grosso wirtschaftlich in diese globalen Kontexte eingebettet. Die technologische Globalisierung breitet sich jedoch wie vulkanische Lava in einer Geschwindigkeit aus, die viel größer ist als die der Prozesse, die zur Zeit der Bandeirantes-Expeditionen oder des Baus der Telegrafenlinie in Gang gesetzt wurden. Die kulturelle und auch die soziale Globalisierung verlaufen langsamer als die des Marktes und der Kommunikation. So wird es nachvollziehbar, daß Vila Bela da Santíssima Trindade aus der Asche der Vergangenheit durch Repräsentanten von Darstellungsweisen alter Kulturidentitäten neu geboren ist und deswegen in touristischen Katalogen gepriesen wird.

Vor allem auch durch die Symbolik der Musikinstrumente - so der Cocho aus Mato Grosso - behält der Mensch auch unter den neuen Bedingungen der Globalisierungs-Ära kulturelle Ausdrucksweisen und Mechanismen der Interaktion mit den Heiligen wie von altersher, die sich in einer verbalen, gestischen oder musikalischen Sprache ausdrücken. Diese Spiritualität ist es, die die Identität der Menschen begründet. Das Gebet zeigt in seinem diskursiven Charakter die poetische Botschaft dieser Spiritualität, die nicht musikalisch-technisch vollkommen vorgetragen werden muß. Diese Kommunion der Menschen mit den Heiligen bestimmt ihre Kultur, denn sie ist nach Meinung der Informanten das, was ihm Grund gibt zu leben und zu hoffen, ihm Mittel in die Hand gibt, um zu handeln, um die Schönheit und die Weisheit der Welt zu steigern. Die Kultur wird hierbei mit der Natur verglichen, sie braucht Luft, Raum, Atem zu leben, damit sie sich ausbreiten und fruchtbar werden kann.

[Aus der Tonaufnahme des Vortrags]

 

Alguns textos dos anais do Congresso foram publicados em:/Einige Texte der Annalen des Kongresses wurden veröffentlicht in:
Musik, Projekte und Perspektiven. A.A. Bispo u. H. Hülskath (Hgg.).
In: Anais de Ciência Musical - Akademie Brasil-Europa für Kultur- und Wissenschaftswissenschaft. Köln: I.S.M.P.S. e.V., 2003.
(376 páginas/Seiten, só em alemão/nur auf deutsch)
ISBN 3-934520-03-0

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