Prof. Dr. A. A. Bispo, Dr. H. Hülskath (editores) e curadoria
científica
© 1989 by ISMPS e.V. © Internet-edição 1999 by ISMPS e.V. © 2006
nova edição by ISMPS e.V.
Todos os direitos reservados
»»» impressum -------------- »»» índice geral -------------- »»» www.brasil-europa.eu
No. 83 (2003: 3)
Entidades promotoras Direção geral |
||||||
© Foto: H. Hülskath, 2002 Archiv A.B.E.-I.S.M.P.S. |
ZU: PROJEKT "NIETZSCHE DURCH DAS OHR"
PHILOSOPHIE UND MUSIK, MUSIK ALS WEG ZUR PHILOSOPHIE
Luis Eduardo Xavier Rubira
Die Kunst ist in der Konzeption von Nietzsche der große Stimulus
des Lebens. Unter Kunst - dies gebührt sich zu erwähnen - verstand
der deutsche Philosoph vor allem die Musik. Seit seiner Geburt
im Jahr 1844 bis zu seinem psychischen Zusammenbruch in den ersten
Tagen des Januars 1889 war sie ein grundlegender Bestandteil seines
Lebens. Einerseits wurde sie, wie wir wissen, zum Gegenstand einiger
seiner ernsteren Reflexionen und Auseinandersetzungen. In diesem
Sinn prägte sie Teile der philosophischen Produktion dieses Denkers,
wie Titel wie "Geburt der Tragödie aus dem Geist der Musik" (1872),
"Richard Wagner in Bayreuth" (1876), "Der Fall Wagner" und "Nietzsche
gegen Wagner" (1888) erkennen lassen. Reflexionen über Musik sind
auch in anderen seiner Werke zu finden, wie z.B. in "Jenseits
von Gut und Böse". Auf der anderen Seite begleitete ihn die Musik
in einsamen Stunden, bereitete ihm Freude und richtete ihn auf.
Nietzsche hörte nicht nur Musik, sondern spielte auch Klavier
und komponierte. Als Komponist wurde er von einigen seiner Zeitgenossen
mißachtet, wie von dem wagnerischen Dirigenten Hans von Bülow
und von Richard Wagner selbst, obwohl dieser die Improvisationen
auf dem Klavier des jungen Nietzsche geschätzt hatte. Jahrzehnte
nach diesen mißbilligenden Meinungen erfährt die Musik Nietzsches
eine Wiederentdeckung. Dies ermöglicht uns einerseits, uns eine
eigene Meinung über seine Kompositionen zu bilden, und auf der
anderen Seite, dem Verfasser der Genealogie der Moral auf einer
anderen Ebene zu begegnen, d.h. in anderen Worten, Zugang zu den
intimen Momenten zu erlangen, die in seinen Schriften nicht zu
finden sind, und vor allem auch zu klanglichen Augenblicken, was
in der Philosophie selten ist. In diesem Zusammenhang sei daran
erinnert, daß vor Nietzsche offenbar nur von Rousseau eine musikalische
Hinterlassenschaft bekannt ist. Wir verdanken dem Biographen von
Nietzsche, Curt Paul Janz, der glücklicherweise sowohl in Philosophie
als auch in Musik ausgebildet war, und auch der Schweizerischen
Gesellschaft für Musikforschung die Publikation eines Werkes mit
über 315 Seiten an Partituren von Nietzsche aus dem Jahre 1976.
Janz äußerte bei einem vor wenigen Jahren gegebenen Interview,
die Musik Nietzsches würde seitdem sehr gut angenommen, und über
ihre öffentliche Aufführung sagte er, sie würde mehr und mehr
gespielt, es bestünden Schallplatten und die deutschen Rundfunkanstalten
stellten häufig Kompositionen von Nietzsche vor, die vor allem
aus dem Rundfunk Basel entliehen würden. Vor wenigen Tagen hätte
er von einer Organisation - The Nietzsche Music Project aus New
York - eine CD mit siebzig Minuten Klaviermusik des Komponisten
erhalten, die in Amerika bereits einen großen Verkaufserfolg erlangt
hätte.
Nietzsche und die Musik
Nietzsche war seit seinem 9. Lebensjahr Autodidakt in der Musik.
Er erhielt Anregungen von seinem Vater Karl Ludwig, der in seiner
Pfarrei im preussischen Dorf von Röcken abends an der Orgel improvisierte.
Er erbte die musikalische Begabung vom Vater, welcher starb, als
er fünf Jahre alt war. Nietzsche begann zu komponieren, als er
einen Chor in der Kirche hörte. Seitdem pflegte er seiner Mutter
und seiner Großmutter zu den Geburtstagen Kompositionen mit der
Angabe "Text und Musik von Friedrich Nietzsche" zu widmen. Als
er etwa fünfzehn Jahre alt war und bereits in Pforta zur Schule
ging, sagte er seiner Mutter, er wolle Musiker sein. Sie führte
ihn aber von dem Weg der Kunst weg, da sie es sich wünschte, er
sollte Theologie studieren. An seinem Vorhaben gehindert, sollte
die Musik erst durch die "Hintertür" immer wieder in sein Leben
zurückkehren.
1862 wird der achtzehnjährige Nietzsche Student der Theologie
und Philosophie an der Universität Bonn. Nach seiner Immatrikulation
begann er, Musikveranstaltungen benachbarter Städte beizuwohnen.
Wie sein Biograph Daniel Halévy erwähnt, konnte er so Werke von
Bach und Beethoven hören. Im folgenden Jahr las er das Werk "Die
Welt als Wille und Vorstellung" von Arthur Schopenhauer und wurde
u.v.a. tief beeindruckt von der Meinung des "Meisters" über die
Musik. Elf Tage lang, in denen er sich dem Werk Schopenhauers
widmete, soll er das Lesen nur für das Klavierspiel unterbrochen
haben. In den folgenden Jahren - in denen die Philosophie Schopenhauers
Wurzeln in dem jungen Nietzsche schlug - wird die Musik Schumanns
sein Trost werden. 1868 bewegten ihn die Meistersänger Wagners,
mit dem er bald eine tiefe Freundschaft schloß.
Von 1860 bis 1870 schuf Nietzsche die Mehrheit seiner Kompositionen.
Für sie verwendete er sowohl Dichtungen, die er selbst verfaßte,
als auch solche anderer Autoren. Unter anderen Kompositionen sind
zu erwähnen die Lieder: "Beschwörung" mit Text des russischen
Schriftstellers Alexander Puschkin (1799-1837), "Ständchen" mit
Text des ungarischen Dichters Sandor Petöfi (1823-1849) und "Ungewitter"
mit Text des deutschen Schriftstellers französischer Herkunft
Adalbert von Chamisso (1781-1838). Alle diese Lieder entstanden
im Jahr 1864.
In den Jahren, die der Freundschaft mit Wagner folgten, reflektierte
Nietzsche weiterhin über Musik und komponierte. Zu Weihnachten
1874 schrieb und bearbeitete er für vier Hände einen Hymnus der
Freundschaft und überarbeitete einen großen Teil der Werke seiner
Jugend. Sein Schaffen hörte jedoch um 1876 auf, als er sich innerlich
- wie er später schrieb - von Wagner trennte.
Erst 1880 erfreute sich nach unserem Wissen Nietzsche wieder an
der Musik, als er in Venedig Kompositionen von Chopin hörte. Später
(1881) frequentierte er auch die Oper in Genua, wo er Opern von
Rossini und Bellini beiwohnte, die ihm ebenfalls gut gefielen.
Erst jedoch "Carmen" von Georges Bizet wird für ihn ein Lebensereignis
werden. Im folgenden Jahr nahm er nach Erhalt einer von der jungen
Russin Lou Andreas-Salomé verfaßten Dichtung das Komponieren wieder
auf, indem er den Text für Klavier vertont. Von da an entstand
sein Hymnus an das Leben, der 1887 - nachdem es für Chor und Orchester
von seinem alten Freund, dem Dirigenten Peter Gast (Heinrich Köselitz)
bearbeitet worden war - als erstes und einziges musikalisches
Werk des Philosophen vom Verlag E. W. Fritzsch veröffentlicht
wurde. Dieser Hymnus sollte nach dem Wunsch des Autors von Zarathustra
zu seinem Gedächtnis gesungen werden, wie in seiner Ende 1888
in Turin verfaßten autobiographischen Schrift "Ecce Homo" ausgedrückt
ist.
Die öffentliche Vorführung der Musik Nietzsches in Porto Alegre/RS
2000 zum Zentenarium seines Todes und ihre Auswirkungen: Die CD
"Nietzsche durch das Ohr" und Teile der Musik des Films "Tage
von Nietzsche in Turin" von Bressane
Zum Zentenarium des Todes von Nietzsche kamen mir und dem Dirigenten
Ronel Alberti da Rosa die Idee, ein Konzert mit Werken des Philosophen
zu seinem Andenken zu realisieren. Bei der Suche nach Noten und
Aufnahmen mit seinen Werken stellten wir fest, daß die Musik von
Nietzsche in Brasilien unbekannt war. Im Verlaufe der Forschung
fanden wir, daß nur der Dirigent Julio Medaglia ein Programm für
das Radio Cultura São Paulos im März 1998 mit Kompositionen Nietzsches
gestaltet hatte. So weit wir wissen, hat es aber kein öffentliches
Konzert mit seinen Werken gegeben. Der Biograph von Nietzsche,
Curt Paul Janz, hatte zwar 1976 das großangelegte Werk mit 315
Kompositionen des Philosophen herausgebracht, dies war in Brasilien
jedoch nicht übersetzt worden. Auf Grund bestehender Kontakte
in Deutschland war es möglich, Kopien von Teilen dieses Werkes
zu erhalten, obwohl es vergriffen ist.
Im Besitz der Partituren konnten die Proben beginnen. Am 25. Oktober
2000 wurden bei einem vom Post-Graduierungs-Kurs in Philosophie
der Bundesuniversität Rio Grande do Sul veranstalteten Treffen
im Goethe-Institut nach einem Vortrag über Nietzsche von Prof.
Dr. Günter Abel die Kompositionen einer aufmerksamen Zuhörerschaft
vorgestellt werden. Es wurden folgende Werke vorgetragen: Heldenklage,
Fragment an sich und Ermanarich (für Klavier), Ständchen, Beschwörung
und Ungewitter (für Stimme und Klavier) und zuletzt der Hymnus
an das Leben (für Klavier und Chor). Am 12. November wurden dann
mehrere Kompositionen von Nietzsche nun von einem Orchester im
Auditorium der Universität aufgeführt. Später bearbeitete Ronel
Alberti auf Einladung von Antonio Carlos Cunha, Dirigent des Orchesters
Sesi-Fundarte, das Werk Ermanarich für Streichorchester, und am
4. Dezember wurde die Musik Nietzsches im Sesi-Theater unter der
Leitung von Cunha neben Werken von Händel, Stolzel, Grieg und
Vivaldi aufgeführt. Teile der an diesem Tag vorgestellten Werke
wurden von TVCOM aufgenommen und am nächsten Abend im Fernsehen
übertragen.
Vor den drei Vorstellungen der Musik Nietzsches in Porto Alegre
im Jahr 2000 hatte ich die Gelegenheit, im Rahmen des 3. Internationalen
Symposiums für Philosophie zu referieren. In Rio de Janeiro hatte
ich die Gelegenheit, einem "making of" über die "Tage von Nietzsche
in Turin" beizuwohnen, ein Film, der damals von dem Cineasten
Júlio Bressane realisiert wurde. In einem Gespräch mit Frau Prof.
Dr. Rosa Maria Dias von der UERJ erzählte ich ihr über die Hommage,
die wir für Nietzsche in Rio Grande do Sul zu veranstalten gedachten.
Sie zeigte sich lebhaft daran interessiert und bat darum, ihr
eine Aufnahme der Aufführung der Werke Nietzsches zusenden, um
sie für die musikalische Gestaltung des Filmes von Bressane zu
verwenden. Die Musik wurde am Tag der Aufführung aufgenommen und
ihr zugeschickt; heute bildet sie einen Teil der Musik des Films
"Tage von Nietzsche in Turin".
Mit der Absicht, die Musik Nietzsches in Brasilien zugänglich
zu machen, wurde die CD "Nietzsche durchs Ohr" produziert. Es
wurden von dieser CD weniger als hundert Kopien hergestellt, die
bald verteilt wurden. Dies war der Auftakt eines größeren Projektes.
Heute bereitet sich Ronel Alberti vor, eine neue CD mit dem Titel
"Die tragische Dissonanz" mit verschiedenen anderen Aufnahmen
von Werken Nietzsches für Klavier, Chor und auch Orchester zu
produzieren.
Über die symphonische Dichtung Ermanarich, die auf der CD "Nietzsche
durchs Ohr"vorgestellt wird, kann man folgendes sagen: der junge
Nietzsche setzte sich von 1861 bis 1865 während seiner Studien
in Pforta und später an der Universität Bonn mit der Sage von
Ermanarich, dem König der Ostrogoden, auseinander. 1861 bereitete
er zunächst eine historische Skizze vor, um die historischen Fundamente
und die Tradition der Sage zu klären. Anschließend fing er auf
Grund seiner Empfindungen über das Thema damit an, es musikalisch
zu behandeln. Mit der Absicht, ein Orchesterwerk zu schaffen,
fertigte er zunächst eine Version für vier Hände. Im folgenden
Jahr gewann das Thema Ermanarich eine poetische Form und Nietzsche
trug seine Dichtung "Tod von Ermanarich" bei einer Feier in Pforta
vor. Auch verfaßte er eine Version seiner Musik für Klavier zu
zwei Händen. Am 10. November 1863 schrieb er an seine Familie
und teilte ihr mit, daß er in der vorherigen Woche eine tiefgehende
Forschung der Sage von Ermanarich durchgeführt habe und dabei
mehrere alte Bücher und Chroniken gesichtet hätte. Daraus würde
eine kleine Arbeit von sechzig Seiten. Nach diesem Versuch setzte
sich Nietzsche noch mit seiner Musik auseinander, und 1865 skizzierte
er eine Oper über dieses Thema.
Auf der CD "Nietzsche durchs Ohr" wird die Musik Ermanarich in
zwei Versionen vorgestellt, die erste für Klavier, wie Nietzsche
sie erarbeitet hatte, die zweite für Streichorchester, deren Instrumentierung
von Ronel Alberti da Rosa stammt. Nach diesen beiden Versionen
folgen "Wenn Nietzsche Löwen gezähmt hätte
" für drei Posaunen,
Klavier und Chor, eine freie Komposition von da Rosa zum Anlaß
des Zentenariums des Philosophen. Über diese letzte Musik bringt
die CD einen von da Rosa verfaßten Text. Die Aufnahmen wurden
in Porto Alegre im Oktober-Dezember 2000 zur gleichen Zeit wie
die Aufführungen gemacht. Es würde sich lohnen, diese Musik in
einem Studio aufzunehmen wie die Doppel-CD "The Music of/La Musique
de Friedrich Nietzsche", die von der Concordia University/Montreal
produziert und finanziert wurde. Da wir über eine solche Unterstützung
nicht verfügen, entschieden wir uns, die Aufnahmen nicht im Archiv
zu lassen und sie einem größeren Publikum zur Verfügung zu stellen.
Schließlich erhoffen wir, daß die CD "Nietzsche durchs Ohr" und
zukünftig die CD "Die tragische Dissonanz" den brasilianischen
Hörern nicht nur erlauben, die Musik Nietzsches kennenzulernen,
sondern ihnen ein weiteres Mosaiksteinchen bieten, um diesen Denker
als Ganzes besser zu verstehen, ein Philosoph, für den es die
Musik ist, die den Geist frei macht.
Da publicação:/Aus der Veröffentlichung:
Musik, Projekte und Perspektiven. A.A. Bispo u. H. Hülskath (Hgg.).
In: Anais de Ciência Musical - Akademie Brasil-Europa für Kultur-
und Wissenschaftswissenschaft. Köln: I.S.M.P.S. e.V., 2003.
(376 páginas/Seiten, só em alemão/nur auf deutsch)
ISBN 3-934520-03-0
Pedidos com reembolso antecipado dos custos de produção e envio
(32,00 Euro)
Bestellungen bei Vorauszahlung der Herstellungs- und Versandkosten
(32,00 Euro):
ismps@ismps.de
Deutsche Bank Köln (BLZ 37070024). Kto-Nr. 2037661
Todos os direitos reservados. Reimpressão ou utilização total
ou parcial apenas com a permissão dos autores dos respectivos
textos.
Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und Wiedergabe in jeder Form
oder Benutzung für Vorträge, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung
der Autoren der jeweiligen Texte.