Prof. Dr. A. A. Bispo, Dr. H. Hülskath (editores) e curadoria científica
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N° 72 (2001: 4)


 

Brasil 2000
Colóquio/Kolloquium

J.S.BACH-H.VILLA-LOBOS
Interpretações e Perspectivas do Barroco
Deutungen und Perspektiven des Barock

31. Mai - 2. Juni 2000

Akademie Brasil-Europa
ISMPS/IBEM

Direção científica/Wissenschaftliche Leitung: Dr. A. A. Bispo
Comissão organizadora/Organisation: Dir. Dr. H. Hülskath

 

em cooperação com/in Zusammenarbeit mit:

Musikwissenschaftliches Institut der Universität zu Köln
- Vorlesungsreihe Musik in der Begegnung der Kulturen -

 

Rezension

Über Parodiemessen von Magalhães, Cardoso und Garro

Owen Rees:
Some observations on parody Masses by Magalhães, Cardoso and Garro.
Revista Portuguesa de Musicologia 7­8, Lisboa, 1997/98, pp. 7­24.

Peter Rodekuhr

 

Den Ausgangspunkt für Owen Rees' Untersuchung bildet die Frage nach den bislang vielfach nicht ermittelten Vorbildern portugiesischer Parodiemessen des XVI. und XVII. Jahrhunderts. Von den acht Messen in Filipe de Magalhães' Liber missarum (1636) sind sechs Parodien, deren Vorbilder bisher nicht eindeutig identifiziert wurden, was eine Studie zum Vergleich von Magalhães' Parodiertechnik mit der seiner Zeitgenossen (u.a. Cristobál de Morales, Francisco Guerrero und Juan Esquivel) erschwerte. An diesen Forschungsbereich ­ einen der fruchtbarsten auf dem Gebiet der portugiesischen Polyphonie ­ ist nunmehr eine neue Annäherung gelungen.

Auf die Frage nach dem möglichen Vorbild für Magalhães' Missa Veni Domine wird durch einen Vergleich dreier Vertonungen desselben Textes ("Veni domine et noli tardare..."), nämlich einer sechsstimmigen Motette von Morales und zweier vierstimmiger von Guerrero und Esquivel, ein neues Licht geworfen. Bei der Gegenüberstellung strukturbildender, ostinater Melodieelemente wird deutlich, daß die musikalischen Ähnlichkeiten zwischen den Werken Guerreros und Esquivels am größten sind, wobei jedoch angenommen werden kann, daß Guerreros Motivik größtenteils von Morales' Motette ­ allerdings in einer vierstimmig gesetzten Variante ­ beeinflußt ist, bzw. diese parodiert. Im Hinblick auf Magalhães' Missa läßt sich mit großer Sicherheit zeigen, daß Guerreros Motette ihr als Vorbild diente: alle acht darin enthaltenen Motive haben, mit nur geringen Veränderungen (und auf andere Textstellen gesetzt) in ihr einen kompositorischen Niederschlag gefunden. Zu Beginn des finalen "Agnus Dei" gebraucht Magalhães die Variation eines Motives, das offenbar aus dem Thema der Mottette Esquivels herrührt. Dies könnte er getan haben, um zu zeigen, daß er beide Werke kannte.

Beachtung findet ein weiteres Werk, Cardosos Missa Anima mea turbata est valde, die ebenfalls 1636 und in einer Sammlung von insgesamt sieben Messen veröffentlicht wurde, deren Widmungsträger gleichzeitig der Urheber der den Werken zugrundeliegenden Themen gewesen sei: Dom João IV, Herzog von Bragança, aus dessen Hand ebenfalls eine Motette des gleichen Titels stammt. Da von diesem, sechsstimmig gesetzten, Werk Dom Joãos jedoch nur zwei Stimmen (Bass und 'altus secundus') erhalten sind, war es bisher nicht möglich festzustellen, ob die darin enthaltenen Themen möglicherweise dieselben waren, die die Grundlage für Cardosos Missa bildeten. Eine eingehende Betrachtung beider Werke läßt nämlich erkennen, daß Cardosos Komposition nachhaltiger als zuvor angenommen von der Dom Joãos inspiriert und nicht nur bloße Paraphrasierung eines "vorgegebenen" Themas ist, sondern vielmehr eine wirkliche Parodiemesse verkörpert. Das musikalische Material ist nicht immer in seiner ursprünglichen Form parodiert (und daher schwer identifizierbar), sondern mehrfach dahingehend variiert worden, daß Motive und Themen in Umkehrung erscheinen, eine Technik, die Cardoso, wie man weiß, bevorzugt anwendete. Dom João teilte mehrere Textabschnitte in je zwei Teile, deren Vertonung er entsprechend zwei Motive zugrundelegte. Aus diesen Motivpaaren wählte Cardoso je eines aus und kombinierte sie neu. Im finalen "Kyrie" schließlich gelang es ihm, auf der Basis eines der erhaltenen Baßstimme entnommenen Motives, dessen kontrapunktisches Potential durch Fugentechnik so auszuschöpfen, daß ein ­ rhythmisch bedingter ­ Höhepunkt erreicht wird.

Auch die Missa O soberana luz aus dem schon erwähnten Liber missarum von Magalhães ist es wert, einer genaueren Betrachtung unterzogen zu werden, da diese einige, in Magalhães' Werk sonst unübliche, Merkmale aufweist, deren Berücksichtigung wesentlich zur Identifikation der Modellkomposition beitragen können: zum einen der weite Ambitus (A bis a"), zum anderen die rhythmische Struktur, die auf der ausgedehnten Verwendung kurzer Notenwerte (Viertel und Achtel) beruht, oftmals verbunden mit homophonen Passagen, deren gemeinsames Vorkommen ein weiteres herausragendes Element dieser Messe darstellt. Es ist ferner zu beücksichtigen, daß das Tonmaterial des Kopfmotives nicht aus lediglich einem Thema besteht, sondern aus der kontrapunktischen Kombination dieses mit einem anderen, zweiten Thema. Magalhães' Vorgänger als mestre de capela an der Capela Real in Lissabon war der spanische Komponist Francisco Garro. Dieser veröffentlichte in einer von zwei Sammlungen mehrstimmiger Messen
(1609) die Missa Fili quid fecisti nobis sic, deren Motivik, so zeigt eine Gegenüberstellung, große Ähnlichkeit mit dem Kopfmotiv Magalhães' aufweist; zudem zeigen sich nicht nur der Ambitus, sondern auch der Modus beider Werke identisch. Auch die erwähnten rhythmischen Merkmale sind in
Garros Missa allgegenwärtig. – Trotz der auffälligen Gemeinsamkeiten kann davon ausgegangen werden, daß, obwohl Garros Komposition zweifellos großen Einfluß auf Magalhães' O soberana luz ausübte, es sich bei dieser dennoch nicht um eine Parodie handelt.

Abschließend wird auf die im gleichen Jahr veröffentlichte zwölfstimmige Missa Domine in virtute tua lætabitur rex Francisco Garros hingewiesen als ein weiteres Beispiel einer Messe, deren Modell ­ wie im Falle Magalhães' ­ nicht mehr mit Sicherheit identifizierbar ist. Man weiß allerdings von der Existenz einer zwölfstimmigen Motette des gleichen Titels aus der Hand des in Spanien tätigen flämischen Komponisten Philippe Rogier (kopiert in Madrid 1593). Der identische Titel, die Anzahl der Stimmen, sowie die Tatsache, daß Garro und Rogier gleiche Positionen innehatten, lassen die Vermutung zu, daß Garros Werk ebenfalls, wie die Motette Rogiers, zur Ehre König Philips II. komponiert wurde.

 

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